Ganzheitlich und individuell: Darauf basiert Ayurveda

Die Ansätze in der ayurvedischen Lehre unterscheiden sich grundlegend von der westlichen Denkweise und Schulmedizin. Die ganzheitliche und individuelle Betrachtungsweise kann eine wertvolle Hilfestellung für mehr Gesundheit sein.

Was bedeutet ganzheitlich in der ayurvedischen Lehre?

Der Mensch wird immer als Ganzes betrachtet und Körper und Psyche werden als Einheit gesehen. Mensch und Natur sind ebenso als Einheit zu sehen, die untrennbar miteinander verbunden sind, sich beeinflussen und in ständigem Austausch stehen (Bsp. Atmen). Als Bestandteil der Natur muss sich der Mensch an die Naturgesetze halten. Tageszeiten, Jahreszeiten, Temperatur haben somit Einfluss auf uns. Verhalten wir uns regelwidrig, hat es Konsequenzen für uns. Wenn wir uns in der kalten Jahreszeit beispielsweise falsch kleiden, erkälten wir uns. Ganzheitlich ist aber nicht nur die Betrachtung, sondern auch die Therapie. Es wird nie nur ein Symptom oder eine Krankheit behandelt, sondern immer der Mensch als Ganzes.

Was bedeutet Individualität in der ayurvedischen Lehre?

Kein Mensch gleicht dem anderen, das gilt auch für Charaktereigenschaften, Körperbau, Stoffwechsel- und Verdauungskraft, Talente, Körperkraft, Immunität und nicht zuletzt auch für die Neigung zu Krankheiten und somit auch für die Therapieformen. Da der Mensch als Teil der Natur betrachtet wird, finden sich alle Elemente aus der Natur auch im Menschen wieder. Aus den fünf Elementen Erde, Wasser, Feuer, Luft und Raum setzen sich die drei biophysikalischen Wirkprinzipien (Doshas) zusammen, welche sämtliche Vorgänge im Körper steuern: Vata, Pitta und Kapha.

Die drei biophysikalischen Wirkprinzipien (Doshas)

Dr. Helene Atalla | Grafik vom Vatatyp - der Flexible

Vatatyp – der Flexible

  • Positive Eigenschaften

    • Spontan
    • Krativ
    • Vielseitig
  • Negative Eigenschaften

    • Chaotisch
    • Wankelmütig
    • Vergesslich
  • Krankheitsbild

    • Nervenkrankheiten
    • Krampfartige Schmerzen
    • Verstopfung
Dr. Helene Atalla | Grafik vom Pittatyp - der Zielstrebige

Pittatyp – der Zielstrebige

  • Positive Eigenschaften

    • Ehrgeizig
    • Ausdauernd
    • Mutig
  • Negative Eigenschaften

    • Egoistisch
    • Ungeduldig
    • Aggressiv
  • Krankheitsbild

    • Entzündungen
    • Brennende Schmerzen
    • Durchfall

Dr. Helene Atalla | Grafik vom Kaphatyp - der Geniesser

Kaphatyp – der Geniesser

  • Positive Eigenschaften

    • Zufrieden
    • Geduldig
    • Loyal
  • Negative Eigenschaften

    • Unflexibel
    • Träge
    • Bequem
  • Krankheitsbild

    • Übergewicht und alle damit einhergehenden Krankheiten
    • Dumpfe Schmerzen
    • Verstopfung

Doshas als grundlegendes Prinzip

Dosha bedeutet übersetzt “das, was Probleme verursachen kann.” Jeder von uns kommt mit einer individuellen Zusammensetzung der Elemente auf die Welt, einer Mischung unserer Eltern, die in wissenschaftlicher Denkweise unseren „Genen“ entsprechen könnte. Die Dosha Zusammensetzung eines jeden ist daher wie ein Fingerabdruck, keiner ist gleich. Die Doshas dürfen dabei nicht als statisches System verstanden werden, sie werden wie unser Körper und unsere Psyche laut westlicher Medizin auch durch Ernährung, Lebensstil, Lebensumstände, Umweltbedingungen, Klima und Jahreszeiten positiv oder negativ beeinflusst. Anhand dieser Erklärung wird bereits ersichtlich, wie sich diese doch im ersten Moment gegensätzlichen Gesundheitslehren Ayurveda und Schulmedizin überschneiden.

„Leben“ wird als die Vereinigung von Körper, Geist und Seele definiert. Wird diese Vereinigung aufgehoben, geht das Leben verloren. Anhand dieser Beschreibung wird deutlich, dass die Lehre des Ayurveda auch Philosophie beinhaltet.

Das Agni als zentrales Lebensfeuer

Im Ayurveda spielen die Verdauungskraft und der Stoffwechsel – auch auf zellulärer Ebene – eine zentrale Rolle in der Entstehung und Therapie von Krankheiten.

Das Agni (die Verdauungskraft) ist der zentrale Punkt im Ayurveda und nicht nur im Darm, sondern in jeder einzelnen Körperzelle vorhanden. Agni kann mit Lebensfeuer oder Stoffwechsel übersetzt werden und ist die Voraussetzung für Gesundheit. Ist das Agni zu schwach, führt es zu Krankheiten, da sich Giftstoffe und Schlacken in den Körperzellen ansammeln und uns (nicht nur im Darm) krank machen. Im Ayurveda nennt man dies Ama, erste Anzeichen können steife Gelenke, Müdigkeit, Trägheit, Verdauungsbeschwerden oder Kopfschmerzen sein. Eine Zungendiagnostik gibt Aufschluss. Bei jeder Krankheit wird daher das Agni mit entsprechenden Kräuterpräparaten gesteigert und die körpereigene Entgiftung mit passenden Maßnahmen angeregt.

Gutes (gesundes) und schlechtes (krankes) Leben, glückliches und unglückliches Leben, das was dem Leben zu- bzw. abträglich ist; das Maß des Lebens und seiner Komponenten sowie das Leben selbst – wo all dies erklärt wird, das nennt man Ayurveda.
Zitat aus der der Caraka Samhita (es heißt übersetzt „die Sammlung von Caraka“). Caraka war ein ayurvedischer Arzt im 2-3.Jh v.Chr. und einer der zentralen Begründer des Ayurveda.

6 Therapiesäulen im Ayurveda

Das Besondere an Ayurveda im Vergleich zur Schulmedizin ist die bei allen Krankheiten und Störungen individuelle und ganzheitliche Betrachtung eines jeden Menschen. Dies spiegelt sich auch in der Therapie wider, denn im Ayurveda wird nie nur ein Symptom oder eine Krankheit behandelt, sondern der Mensch als Ganzes. Mit dem Grundprinzip, den in Dysbalance geratenen
Organismus wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Die ersten vier Therapieformen sind fixer Bestandteil eines jeden individuell auf meine Patienten zusammengesetzten Therapieplans.

1. Lebensstil

Das bedeutet einen achtsamen Umgang mit sich selbst und der Umgebung, Umwelt und anderen Lebewesen, aber auch Ordnung und Routinen, wie etwa eine Morgenroutine, Meditation, Ethik, Moral, etc. Alle Taten haben eine bestimmte Wirkung auf ein Dosha. Reisen beispielsweise erhöht das Vata, viel Sprechen und Fasten erhöhen Vata. Neid, Eifersucht oder Wut erhöhen Pitta. Auf der Couch lümmeln, lange Schlafen und viel Essen erhöhen das Kapha. Zum Ayurveda gehört auch Yoga und dessen Philosophie: Moralisches Verhalten fördert Gesundheit, unmoralisches Verhalten fördert Krankheit.

2. Ernährung

Ernährung spielt im Ayurveda eine zentrale, wenn nicht die wichtigste Rolle. Die Nahrung wird nicht nur nach den gängigen Schemen „gesund“ und „ungesund“ kategorisiert, sondern individuell betrachtet. Für manche Menschen ist Rohkost beispielsweise gut verträglich, für andere ungeeignet. Daher wird nach Analyse der Konstitution und der Verdauungskraft ein individueller Ernährungsplan mit gut verträglichen Lebensmitteln und Gewürzen erstellt.

3. Bewegung

Je nach Konstitution (Dosha) wird eine geeignete Bewegungsform empfohlen. Für Vata-Typen beispielsweise sind schnelle Sportarten weniger geeignet, weil sie das Vata erhöhen. Vata reduzierend sind etwa Spaziergänge und sanftes Yoga. Das bedeutet nicht, dass ein Vata-Typ nicht laufen soll. Sondern durch Vata senkende Maßnahmen nach dem Laufen (Yoga, Meditation) die ausgelöste Vata Erhöhung wieder ausgleichen.

4. Kräutertherapie

Verschiedene Heilpflanzen wirken unterschiedlich auf die Doshas und werden daher gezielt eingesetzt. Daher wird im Ayurveda eine bestimmte Krankheit nicht immer mit demselben Präparat behandelt, wie etwa in der Schulmedizin. In der Schulmedizin werden zudem häufig nur Symptome medikamentös behandelt und nicht die Krankheit an sich. Asthma beispielsweise wird in der Ayurveda bei einem Pitta-Typ (hier steht die Entzündung im Fokus) anders behandelt als bei einem Kapha-Typ (Fokus auf Schleim), weil die Symptome hier anders sind.

Diese letzten beiden Therapieformen werden in meiner Praxis nicht angeboten. Ergibt sich meiner Meinung nach die Notwendigkeit für eine solche Behandlung, leite ich meine Patienten entsprechend weiter.

5. Manuelle Therapie

Massagen, lokale Ölanwendungen über bestimmte Körperregionen, spezielle Massagen mit Kräuterstempeln oder Trockenpasten: Je nach gewünschter Wirkung, Konstitution und Beschwerdebild werden sie individuell angewendet. Besonders bei Kreuzschmerzen oder Kniearthrose bietet die manuelle Therapie mit medizinierten Ölen eine gut wirksame Lokaltherapie.

6. Reinigungskur

Panchakarma ist die therapeutische Königsdisziplin im Ayurveda. Es handelt sich hierbei um eine tiefgreifende Therapie bzw. Reinigung des gesamten Körpers und aller Zellen bei schwerwiegenden Erkrankungen. Dabei werden die über das gesunde Maß hinaus bestehenden Doshas aus dem Körper ausgeleitet. Bei Kapha-Typen etwa mit induziertem Erbrechen, bei Pitty-Typen mit abführenden Maßnahmen und bei Vata-Typen mit Darmeinläufen.